
Nachbericht: 10. Hybriden Branchentalk
Beim 10. Hybriden Branchentalk der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien im Haus des Meeres diskutierten Expert:innen über Mediennutzung, Markenidentität und die Zukunft der Werbung.

Menschen. Medien. Märkte – wo finden wir unsere Zielgruppen?
Wenige Stockwerke über vielerlei Arten von Meeresbewohnern trafen sich kürzlich auf Einladung der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien Kommunikationsprofis im Lighthouse 10 im Haus des Meeres. Das zentrale Thema war eines, das die Branche in Zeiten von Social Media, Tech-Giganten und KI mehr denn je bewegt: Wo finden wir unsere Zielgruppen? Moderatorin Sigrid Neureiter-Lackner, PR-Expertin und Interessenvertreterin in der Wirtschaftskammer Wien, führte kompetent und pointiert durch den Abend – und eröffnete ihn mit einer Geschichte, die sinnbildlich für das Thema steht.
Von der Meeresschildkröte zur aktuellen Mediensituation
Mit einem Augenzwinkern erzählte Neureiter-Lackner von der Meeresschildkröte Puppi, die beinahe in einem asiatischen Suppentopf gelandet wäre, nun aber schon seit Jahrzehnten gemeinsam mit Haien und anderen Fischen im Haus des Meeres lebt: „Auch Medien werden gerne totgesagt – doch wie Puppi im Haifischbecken haben sie bisher überlebt. Die Frage ist allerdings, ob in friedlicher Koexistenz.“
Fakt ist, dass sich Print, Radio, TV und digitale Kanäle im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums und die Gelder der Werbeindustrie befinden. Doch was sagen die Expertinnen und Experten: Siegt das Digitale über das Analoge? Oder wird nicht das Entweder-oder, sondern das Sowohl-als-auch die Werbezukunft prägen?

Print ist nicht tot – Flugblätter sind wichtiger denn je
Den inhaltlichen Auftakt machte Nicole Schlögl-Slavik. Die Leiterin Marketing & Produktmanagement bei Österreichische Post AG wartete mit aktuellen Zahlen aus der Österreichischen Werbe Marktstudie 2025 auf. „Bei einer Marke geht es darum, nicht nur messbar, sondern auch spürbar zu sein“, betonte Schlögl-Slavik.
Die Studie zeigt: Während digitale Werbeausgaben Jahr für Jahr um rund zwölf Prozent steigen, gehen die Ausgaben für analoge Medien nicht im gleichen Ausmaß zurück. Besonders Flugblätter – oft unterschätzt – erzielen nach wie vor hohe Reichweiten und beeinflussen Kaufentscheidungen maßgeblich. „Print ist nicht tot – und Briefe auch nicht“, so Schlögl-Slavik weiter. „Analoge Werbung wirkt, weil sie haptisch, vertraut und glaubwürdig ist.“
Damit setzte sie ein klares Statement gegen den Trend zur reinen Digitalisierung und sorgte für zustimmendes Nicken im Publikum.
Martina Salomon: „Wir befinden uns in einem Haifischbecken“
Martina Salomon, Herausgeberin des KURIER, zeichnete ein differenziertes Bild zwischen wirtschaftlicher Bedrängnis, veränderten Konsumgewohnheiten und technologischen Umbrüchen. Während internationale Online-Giganten immer größere Werbeanteile verschlingen, kämpfen heimische Medien mit sinkenden Budgets und steigenden Kosten.
„Wir befinden uns in einem Haifischbecken – und leider nicht immer in friedlicher Koexistenz“, so die Branchenkennerin. Salomon weiter: „Vor zehn Jahren hieß es, Zeitungen wird es bald nicht mehr geben. Und doch ist Print noch immer die Cashcow der Medienhäuser.“ Zugleich verwies sie auf den großen Druck, unter dem klassische Medien aktuell stehen.
Auch Künstliche Intelligenz war Thema. Martina Salomon sieht KI nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Werkzeug: „Routinearbeit wird automatisiert, aber KI kann keine Haltung ersetzen. Das ist unsere Chance, Qualität und Kreativität wieder in den Mittelpunkt zu stellen.“ Anschließend präsentierte sie auf Einladung von Moderatorin Neureiter-Lackner ihr neues Buch „Salon Salomon“ – ein Beispiel dafür, wie Journalist:innen selbst zur Marke werden können.
Marken brauchen Haltung und Authentizität
Mit Angelika Sery-Froschauer, CEO der SERY* Brand Communications GmbH, ging es weiter zur unternehmerischen Perspektive. Die Marken-Expertin stellte klar: „Bevor wir fragen, wo wir unsere Zielgruppe finden, müssen wir wissen, wie wir sie finden.“ Sery-Froschauer plädierte dafür, dass Marken ihre Identität klar definieren, bevor sie kommunizieren. Nur wer weiß, wer er ist, könne authentische Beziehungen aufbauen.
„Echte Marken bauen Vertrauen auf – keine Klickzahlen“, brachte sie die Erfahrung des Familienbetriebes und der mit 60 Jahren ältesten Werbeagentur Österreichs auf den Punkt. Besonders spannend war Sery-Froschauers Beobachtung, dass ältere Zielgruppen oft unterschätzt werden. „Die 70-Jährigen fühlen sich mit Werbung für 50-Jährige wohler. Das ist Markenpsychologie in Reinform.“ Ein Appell, der zeigte: Zielgruppen verändern sich, aber Emotionen bleiben konstant.
Orientierung im Dschungel der Medienlandschaft
Im Anschluss sprach Roland Grafl, stellvertretender Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien, über die Verantwortung der Interessenvertretung. „Unsere Aufgabe ist es, Orientierung zu geben, Wissen zu vermitteln und Trends einzuordnen“, so der Unternehmer, der selbst seit über 25 Jahren eine Werbeagentur betreibt.
Er betonte die Rolle der Fachgruppe als Plattform für Weiterbildung, Austausch und Unterstützung – gerade auch für EPU und kleine Agenturen, die den Großteil der Mitglieder ausmachen: „Dialog ist entscheidend. Nur wenn wir wissen, wo die Herausforderungen liegen, können wir gemeinsam Lösungen entwickeln.“
Grafl verwies auf die zahlreichen Veranstaltungen und Services der Fachgruppe, die auf der Website und im wöchentlichen Newsletter laufend aktuell kommuniziert werden.
Auffallen und zugleich authentisch bleiben
Einen digitalen Akzent setzte Emily Erker, LinkedIn-Expertin und LinkedIn Top Voice 2022. Sie sprach über Social Media und die Kunst, aufzufallen, ohne sich zu verbiegen. „Auffallen ja – aber bitte echt bleiben. Authentizität schlägt Algorithmus.“ Ihre Devise: Qualität vor Quantität. „Dreimal pro Woche posten kann schon reichen. Wichtig ist, dass der Inhalt echt ist und man als Person greifbar bleibt.“
Erker sprach sich klar gegen KI-generierte Einheitsbeiträge aus: „Die Menschen merken sofort, ob etwas echt oder künstlich ist.“ Mit ihrem positiven, praxisnahen Auftritt bewies sie, dass digitales Personal Branding weit mehr ist als Strategie – es ist Haltung.
Werbung bleibt – die Form verändert sich
In der Abschlussrunde gab es auf Publikumswunsch einen Blick nach vorn. Zwar war man sich einig, dass das angesprochene Jahr 2050 zu weit gegriffen sei. Eine Prognose, wie Werbung im Jahr 2030 aussehen könnte, wurde jedoch erstellt.
Nicole Schlögl-Slavik zeigte sich pragmatisch: „Es wird viele Medien immer noch geben – aber in anderer Form.“ Martina Salomon ergänzte: „Vielleicht erscheint die Zeitung dann nur noch dreimal wöchentlich – aber sie wird hochwertiger und exklusiver sein.“ Angelika Sery-Froschauer brachte es abschließend auf den Punkt: „Werbung wird bleiben, weil sie Wirtschaft und Gesellschaft verbindet. Die Technologie ändert sich – die Notwendigkeit bleibt.“
Sigrid Neureiter-Lackner fasste den Abend zusammen: „Der 10. Hybride Branchentalk bewies eindrucksvoll, dass erfolgreiche Kommunikation nicht in erster Linie von Kanälen abhängt, sondern davon, wie die jeweilige Zielsetzung angesprochen wird.“ Zum Schluss zitierte die Moderatorin aus einem Leitartikel von Chefredakteurin Anna Thalhammer im Profil:
„Wer Kultur will, muss ins Theater gehen.
Wer Demokratie will, zahlt Steuern.
Wer Medien will, muss sie lesen. Sie haben Verantwortung.“
Ein Abend, der zeigte: Medien und Kanäle verändern sich – doch die Kraft starker Marken und professioneller Kommunikation bleibt.
Der Hybride Branchentalk im Livestream: https://www.leadersnet.at/leadersnet-tv/8231,10-hybrider-branchentalk-der-fachgruppe-werbung-wien-zu.html
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