
Dein innerer Kritiker
Der „Innere Kritiker“ hat viele Erscheinungsformen. Weiblich, männlich, geschlechtslos, aber selten sympathisch. Er mischt sich ungefragt in unser Leben ein, […]

Der „Innere Kritiker“ hat viele Erscheinungsformen. Weiblich, männlich, geschlechtslos, aber selten sympathisch. Er mischt sich ungefragt in unser Leben ein, erteilt uns Ratschläge – die sich zuweilen tatsächlich wie Schläge anfühlen können. Selten spricht er liebevoll zu uns: er meckert, er zischt, er ätzt manchmal schreit er sogar! Niemand sonst dürfte so mit uns sprechen!
Kein sehr sympathischer Kerl also. Warum wir ihn uns doch zum Freund machen sollten, und wie uns die Technik des Focusing dabei helfen kann, darüber sprach Focusing-Trainerin Ruth Sar-Shalom beim Kreativfrühstück im Café Edison. In ihrer Heimat Israel und in vielen anderen Ländern ist Focusing eine anerkannte Methode zur Selbsthilfe und Entscheidungsfindung im Alltag oder eine Lösungshilfe für die Bewältigung jeder Art von persönlichen, beziehungsbegründeten oder organisatorischen Problemen.
Focusing – Hinhören, hinspüren, wahr-nehmen, zuwenden
„Focusing ist wie ein konzentriert-gelassener Blick auf die Komplexität, damit sich etwas zeigen kann, das schon spürbar ist, noch nicht in Worte gefasst und gleichzeitig doch lebendig – etwas, das eine Richtung und eine tiefe komplexe Bedeutung hat.“ schreibt Ruth auf ihrer Website.
Focusing kann jede:r lernen und anwenden. Eine kleine Focusing-Übung am Anfang unseres Gesprächs hat erahnen lassen, wie einfach wir die „zugedeckten“ Stellen in uns finden können (aber auch wie schwierig ein öffentliches Setting ist). Und wie leicht es eigentlich ist, genau hinzuhören, vor allem wenn jemand da ist, der die richtigen Fragen stellt, geduldig Stille aushält und kein Urteil fällt.
Durch das Zuwenden und Hinspüren können wir beschreiben, was die spezielle Fragestellung mit uns auf einer körperlichen Ebene macht. Die Auseinandersetzung (Beobachtung, Beschreibung, Assoziation …) mit dem körperlichen Gefühl klärt, ordnet und verändert eventuell bereits die Fragestellung. Genau so könnten wir uns auch einmal unserem inneren Kritiker zuwenden.
Mach dir einen Drachen zum Freund
Eigentlich, so Ruth Sar-Shalom, will uns der innere Kritiker ja beschützen. Vor Scham, vor Fehlern, vor Versagen. Wenn wir ihm wohlwollend begegnen und ihm diese positive Absicht unterstellen, kann er uns dienlich sein. Ruth hat dazu die sehr schöne Drachen-Metapher gebracht: Stellen wir uns doch den „Inneren Kritiker“ als Drachen vor. Ein magisches Wesen, das uns – also seinen Schatz – davor bewahren möchte bloßgestellt, beschädigt, gestohlen … zu werden. Wenn der Drache die Gelegenheit hat, seine (!) Befürchtung zu formulieren, können wir diese auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Und dann entweder verwerfen oder unser Verhalten anpassen.
Je öfter wir diesem Drachen in uns zuhören, ihn ernst nehmen, ohne uns von ihm beherrschen zu lassen, umso freundschaftlicher wird unser Verhältnis.
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Hier noch einige Literaturtipps von Ruth Sar-Shalom
Eugene T. Gendlin: Focusing
Ann Weiser-Cornell: Focusing-Der Stimme des Körpers folgen
Ann Weiser-Cornell: Die Kunst des Annehmens
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